Bau- und Raumakustik: Gebäude, die genauso gut klingen, wie sie aussehen

31. März 2020

Lernen Sie die Wissenschaft des Schalls kennen und erhalten Sie von Experten einen Einblick in die Bauakustik. Jedes Bauteil eines Gebäudes hat Auswirkungen auf dessen akustischen Eigenschaften. Deshalb ist es wichtig, zunächst die grundlegenden Prinzipien der Bau- und Raumakustik zu verstehen. Denen wollen wir uns jetzt einmal widmen – klingt das gut für Sie?

Gebäude mit Akustikplanung

Was ist Bau- und Raumakustik?

Die Bauakustik ist die Wissenschaft und Technik zur Erzielung eines guten Schalls innerhalb eines Gebäudes. Sie ist die Interaktion zwischen Mensch und Schall - sowohl im Innen- als auch im Außenbereich. Sie umfasst die Untersuchung von Wohnungen und Gebäuden und die Planung für eine optimale akustische Leistung.

Wir haben unseren Gesprächspartnern Jasper Spigt und Camilla Casiccia einige kurze Fragen gestellt. Jasper ist Architekt und Partner beim Architekturbüro architecten van Mourik. Er entwickelt Innenräume und städtische Räume, wobei er die Umgebung und die Gemeinschaft stets im Blick behält. Camilla ist Innenarchitektin bei architecten van Mourik. Die beiden haben ihre Erfahrungen mit uns geteilt.

Kann man ein Gebäude oder einen Raum so gestalten, dass alle 5 Sinne angesprochen werden?

Auf jeden Fall. Unsere Architektur ist aber in erster Linie am Sehsinn ausgerichtet, weil das Auge eben am unmittelbarsten angesprochen wird. Wenn in einem Raum eine angenehme Atmosphäre geschaffen werden soll, kommt das Anregen der übrigen Sinne, zum Beispiel durch fühlbare Erlebnisse, die Akustik oder Wärme, stets gleich dahinter. Nur der Geruchssinn spielt für uns im Planungsprozess keine besonders große Rolle.

Obwohl die einzelnen sensorischen Aspekte wichtig sind, arbeiten wir aber vor allem daran, wie der Raum im Allgemeinen erlebt und wahrgenommen wird. Die fünf Sinne sind also die zugrunde liegenden Faktoren, die von Planern berücksichtigt werden müssen, aber welche Emotionen ein Raum genau auslöst, ergibt sich aus einer Kombination der fünf Sinne – etwas, das wir meist als den sechsten Sinn bezeichnen. Jasper erklärt: „Planer besitzen diesen sechsten Sinn in der Regel und können entsprechend feinfühlig vorgehen.“

Letztlich zeigt sich immer wieder, dass einzigartige Räume stets eine einzigartige Kombination der fünf Sinne ansprechen.

 

Planer besitzen diesen sechsten Sinn in der Regel und können entsprechend feinfühlig vorgehen.

Jasper Spigt

Architekt

Warum spielt die Bau- und Raumakustik in Wohnungen und Gebäuden eine Rolle?

Die Akustik bestimmt zweifellos den Charakter eines Raums. Was für ein Raum soll es sein? Sollen sich die Menschen hier konzentrieren können, sich versammeln, diskutieren oder Reden halten?

Die Akustik hat Einfluss auf unser Wohlbefinden und auf unsere Umgebung. Eine schlechte Akustik kann das Tischgespräch im Restaurant vollkommen ruinieren. Würden Sie nochmal in ein Restaurant gehen, in dem Sie Ihr Gegenüber nicht richtig verstehen konnten? Es ist einfach zu laut, oder? Wenn die Akustik eines Raums den Klang bestimmt, beeinflusst sie auch seine Atmosphäre insgesamt. Heute sprechen sogar Neurowissenschaftler über die Bedeutung der Akustik und ihre zunehmende Relevanz.

Wie erklären Sie einem Kunden Akustik?

Das Thema Akustikdesign ist sehr subjektiv und wird von unseren Kunden ganz unterschiedlich wahrgenommen. Inzwischen haben die Menschen ein größeres Bewusstsein für die Akustik entwickelt, aber wir müssen stets eine objektive Sichtweise herausarbeiten. Natürlich können wir darüber sprechen, welche Materialien benötigt werden, aber wir müssen auch grundsätzlich erklären, welchen Einfluss die Akustik auf einen Raum hat. Und dann müssen wir Lösungen anbieten.

Positiv aber ist, dass sich jeder zu einem gewissen Grad mit dem Beispiel des lauten Restaurants identifizieren kann. Außerdem macht es einen Unterschied, ob wir mit Geschäftskunden arbeiten oder mit Privatpersonen, die sich ihr eigenes Haus bauen möchten. Das Bewusstsein für Akustik ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Wir aber müssen mit den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden in jedem Fall objektiv umgehen.

Camilla merkt an: „Ein hoher Prozentsatz der Leute glaubt, dass der Lärm in einem Restaurant auf die Anzahl der Anwesenden und nicht auf die Akustik zurückzuführen ist. Bewusstsein ist also auch eine Schlüsselrolle in unserer Arbeit“.

Ein hoher Prozentsatz der Leute glaubt, dass der Lärm in einem Restaurant auf die Anzahl der Anwesenden und nicht auf die Akustik zurückzuführen ist. Bewusstsein ist also auch eine Schlüsselrolle in unserer Arbeit.

Camilla Casiccia

Architektin

In welcher Phase der Planung machen Sie sich Gedanken um die Bau- und Raumakustik?

Aus der Innenraumperspektive hängt das von dem Raum ab, den wir entwerfen, und von der Art des Projekts, an dem wir arbeiten. Im Allgemeinen denken wir von Anfang an darüber nach. In einigen Fällen, wenn es sich um einen Umbau handelt, arbeiten wir auf Grundlage der bestehenden Akustik. Wenn wir zum Beispiel einen Bibliotheksbereich integrieren sollen, muss es sich um einen ruhigen Bereich handeln. Also arbeiten wir bereits ab der Anfangsphase daran.

Wenn wir in der Gestaltung freie Hand haben, planen wir auf Grundlage der Dynamik der Fläche. Dabei ist es egal, ob Privatbereiche, Konferenzräume oder Theater entstehen sollen. Manche Flächen besitzen außerdem eine besondere Identität, auf die wir die Akustik abstimmen. Wichtig ist auch, ob es sich um einen Innenraum oder eine Außenfläche handelt. Sicher ist nur, dass es für jeden Raum und jeden Klang ein Design gibt, das schön und elegant ist.

Welchen Einfluss hat die Bau- und Raumakustik auf die Planung von Gebäuden und Innenräumen? Werden Ihnen durch die Berücksichtigung der Bau- und Raumakustik in der Planung Grenzen auferlegt?

Ja, das ist in der Tat der Fall. Wenn zum Beispiel ein Gebäude in der Nähe einer Eisenbahnstrecke gebaut werden soll, müssen wir die Akustik so planen, dass die Gebäudenutzung dadurch nicht beeinträchtigt wird. Wir beginnen zunächst damit, sowohl innen als auch außen die optimale Akustik zu entwickeln.

Dabei müssen wir äußerst umsichtig vorgehen, da wir nicht einfach nur eine Fassade errichten wollen, die den Schall „aussperrt“. Mit der Technik, die uns heute zur Verfügung steht, können wir sowohl eine hervorragende Akustik als auch eine schöne Architektur schaffen. Doch wir müssen darauf achten, dass Kosten und Design sich die Waage halten. Es gibt also Einschränkungen, aber es gibt auch Möglichkeiten.

Wir müssen den Menschen die Freiheit bieten, wählen zu können. Sie sollen Teil der Stadt sein und auch in ihrer eigenen Abgeschiedenheit leben können.

Dieses Jahr ist das Jahr des Schalls. Wo stehen wir in Architektur und Design heute, in Bezug auf die Lärmbelastung?

Wir verfügen heute über Lösungen und Technologien, um die Akustik in jedem Raum zu unterstützen.

Andererseits wird die Lärmbelastung immer schlimmer. Uns muss klar sein, wie sich Gebäude optimal bauen lassen, um diesen Lärm zu eliminieren. Wir müssen öffentliche Räume und ihre Beziehung zu Gebäuden betrachten und darüber nachdenken, wie bei einer optimalen Akustik beide gedeihen können.

Dabei muss der Lärmbelastung besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. Wir müssen die Menschen über Akustik aufklären, weil sie für eine nachhaltige Welt von wesentlicher Bedeutung ist.

Wie wird es Ihrer Meinung nach im Jahr 2050 aussehen?

Für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) steht Lärmbelastung hinter der Luftverschmutzung gleich an zweiter Stelle. In den nächsten Jahren müssen wir uns den Auswirkungen von Lärm in Räumen aller Art und der zunehmenden Bedeutung der Akustik in der Planung von Gebäuden stärker bewusst werden.

Heutzutage wird Lärm nicht mehr als „unerwünschter Schall“ definiert, sondern als „unerwünschter Schall, der keinen Hörschaden verursacht“. Das hilft uns, darauf hinzuweisen, dass Lärm gesundheitsschädlich ist und störend sein kann – auch schon bei geringen Intensitäten. Heute wird selbst in den Universitäten über die schädlichen Auswirkungen von Lärm und die Best Practices, mit denen sich die Akustik in der Bauplanung berücksichtigen lässt, diskutiert. Deshalb brauchen wir mehr denn je eine Architekturplanung und Bauausführung, in denen diese Aspekte eine Rolle spielen. Schließlich wollen wir alle einen Beitrag zu einer Klangumgebung leisten, die gesund für die Menschen ist.